Effizienz Sicht Industrie: Interview Philipp Perego

Magazin
12.01.2021


Interview Perego

Herr Perego, was bedeutet Effizienz bei Regionalbanken in Ihren Augen?
Leider wird dieses komplexe Thema zu häufig auf den Preis reduziert. Für mich bedeutet Effizienz, dass die Leistungen einer Retailbank gegenüber ihren Endkunden in der verlangten Qualität erbracht werden – das konstant und zu möglichst attraktiven TCO, das heisst unter Betrachtung aller Kosten.

Sie verfolgen die Diskussion um die Effizienz schon lange. Ihr Fazit?
Im Vergleich zu früher hat sich der Kostendruck intensiviert und die Anforderungen sind breiter gefächert. Aber die Diskussion fokussiert nach wie vor auf trendige und nicht auf strategische Themen.

Wie ist das zu verstehen?
Einmal stehen Regulierungen im Vordergrund, dann Negativzinsen, dann die Digitalisierung. Parallel dazu betonen die Regionalbanken ihre Kundennähe und ihr traditionelles Geschäft. Was ich dabei vermisse, ist die vertiefte und systematische Auseinandersetzung mit wirklich neuen Themen. Zu oft wollen Banken ihre vermeintlichen Spezialitäten umgesetzt haben, obwohl die in der Kundenschnittstelle nicht differenzierend sind. Und den Fokus auf den Preis zu legen, bringt nicht per se Effizienz und Produktivität.

Wie lautet ihr Gegenvorschlag?
Es geht um die Offenheit, auf einer Vertrauensbasis zusammenzuarbeiten, dabei langfristige Visionen zu entwickeln und konsequent zu verfolgen. Das bedeutet, bewährte Pfade aufzugeben, neue zu probieren, zu investieren und gegebenenfalls bestehende Geschäfte zu kannibalisieren. Wenn man nicht den Mut aufbringt, sich den realen Herausforderungen zu stellen und sie aktiv anzugehen, dann verliert man mit der Zeit die Möglichkeit zu handeln.

Warum tun sich nicht nur Banken so schwer mit diesem Thema?
Das Betreten von unbekanntem Terrain birgt gewisse Risiken, man kann Fehler machen.

Gezielte, ehrliche Kooperationen

Sollte jede Bank für sich selber definieren, was Effizienz für sie bedeutet?
Grundsätzlich ja. Aber die Frage bleibt, ob die Unterschiede von Retailbank zu Retailbank wirklich markant divergieren können. Ich denke nein, denn es werden zwar geographisch unterschiedliche Gebiete bedient, doch Kernaufgaben und Herausforderungen sind zu einem Grossteil identisch. Gezielte und ehrliche Kooperationen scheinen mir ein erfolgversprechendes Rezept zu sein, um die Effizienz zu definieren und auch zu realisieren.

Dennoch werden die Banken an ihrer Effizienz gemessen und verglichen.
Regionalbanken leben nicht von Ranglisten, sondern von Leistungen gegenüber ihren Kunden, die bereit sind, dafür einen fairen Preis zu bezahlen. Nach meinen Erfahrungen werden die Kundenbedürfnisse zu wenig ins Zentrum gestellt. Eine Bank ist dann erfolgreich, wenn sie weiterempfohlen wird, nicht wegen ihrer Position in einer statistischen Betrachtung.

Was sagt die Cost-Income-Ratio Ihrer Meinung nach über die Effizienz aus?
Die CIR ist eine durchaus sinnvolle Kennzahl, darf aber nicht zur Religion werden. Sind die Kosten tief, weil die Bank nicht in die Zukunft investiert, ist die CIR kurzfristig attraktiv, längerfristig zieht der Markt davon. Eine etwas höhere CIR in Kombination mit Wachstum ist auch kein Problem.

Dennoch unterscheiden sich Banken mit tiefer CIR oft in vielen Punkten . . .
Banken, die an mehreren Standorten präsent sein müssen, haben höhere Kosten. Aber es gibt in der Tat Institute, die viel effizienter arbeiten, obwohl sie sich punkto Produkte und Dienstleistungen kaum von den anderen unterscheiden. CIR wird nicht nur über die Kosten, sondern auch über die Erträge bewirtschaftet – eine erfolgreiche Bank ist in beide Richtungen aktiv.

Fehlt den Banken beim Thema Effizienzsteigerung die Geduld?
Aus meiner Sicht fehlt es weniger an Geduld als an der Vision, wohin man will und den damit verbundenen Planungs- und Umsetzungsschritten.

Ist es sinnvoll, angestrebte Effizienzsteigerungen in Prozent auszudrücken?
Die Normierung für einen objektiven Vergleich ist anspruchsvoll. Zugleich greift die Vorgabe, die CIR um x Prozente zu verbessern, zu wenig weit, ist zu generell. Und: Wer ist innerhalb der Bank für die Umsetzung verantwortlich?

Wie müssten die Ziele Ihrer Meinung nach definiert werden?
Grundsätzlich braucht es meiner Meinung nach eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung – dies end-to-end und über den Life-Cycle. Zudem gilt es nebst den quantitativen auch die qualitativen Ziele auf dem Radar zu haben.

Wo orten Sie die Vor- und Nachteile von Regionalbanken hinsichtlich Effizienzsteigerung?
Das einfache Geschäftsmodell, kurze Entscheidungswege zählen mit der Kundennähe zu ihren Vorteilen. Gleichzeitig müssen die Banken auf regionale Gegebenheiten Rücksicht nehmen. Sie haben wenig Kraft, alles selber zu machen und verfügen über wenig Erfahrung bezüglich Kooperationen, teilweise fehlt auch das IT-Know-how.

Wenn sich die Banken aber auf ihre Kernkompetenzen fokussieren und geschickt kooperieren, verfügen sie intern durchaus über die nötigen Ressourcen und das Know-how für eine Effizienzsteigerung – dann lassen sich auch für kleinere Banken die nötigen Skaleneffekte erreichen.

Standardsoftware ein Segen

Wie passen Standardsoftware und bankspezifische Prozesse zusammen?
Standardsoftware ist ein Segen, wenn man sie richtig einsetzt, diesen Standard lebt und Flexibilität dort zulässt, wo es für die Marktdifferenzierung zwingend notwendig ist.

Trotzdem wird neue Software auf etablierte Prozesse ausgerichtet . . .
. . . weil der Widerstand kleiner ist, die Software an die herrschenden Gegebenheiten anzupassen, als die Organisation neu aufzustellen. Oft fehlt auch schlicht die Phantasie.

Was bedeutet Industrialisierung im Banking?
Die Prozesse sind nach industriellen Kriterien zu gestalten. Das betrifft in erster Linie Geschäfte mit stark verarbeitendem Charakter wie den Zahlungsverkehr, die Wertschriften- und die Kreditverarbeitung, um ein paar Beispiele zu nennen.

Wie steht es mit Outsourcing?
Die Möglichkeiten des Outsourcing werden ebenfalls zu wenig ausgeschöpft. Heute sind die Banken eher Manufakturen.

Und die Fokussierung auf Kernkompetenzen?
Die Banken kennen ihre Kernkompetenzen, haben dies aber zu wenig geschärft. Zudem kümmern sie sich um Arbeiten und Aufgaben ausserhalb der definierten Kernkompetenzen.

Organisation. Konzeption. Umsetzung

Oft wird die Automobilindustrie als Vorbild für die Bankenbranche zitiert. Macht das Sinn?Grundsätzlich schon, dann haben die Banken aber noch einen weiten Weg vor sich. Tesla macht gerade vor, wie man ein Premium-Segment mit hoch standardisierten Prozessen und Produkten erobern kann – das Beispiel zeigt auch, was disruptive Ansätze, wie der Wechsel zum Strom bedeuten und dass zuerst investiert werden muss, um vielleicht zu ernten.

Und die Angst vor dem viel zitierten Know-how-Verlust?
Bleiben wir bei der Automobilindustrie: Premium-Hersteller decken teilweise weniger als zwanzig Prozent der Wertschöpfung selber ab, der überwiegende Anteil wird also über Sourcing abgewickelt. Kommt jemand auf die Idee, diesen Herstellern mangelnde Kompetenz im Autobau vorzuwerfen? Das ist nur eine Frage der Organisation, der sehr fokussierten Konzeption und der konsequenten Umsetzung der Kernkompetenzen.

Die IT ist ein wesentlicher Kostenblock. Sehen Sie Potenzial für Kosteneinsparungen?
Die Kosten der IT sind kein Problem, wenn dieses Betriebsmittel effizient eingesetzt wird, dadurch die Kosteneffizienz der ganzen Organisation steigt und dank der IT zusätzliche Erträge generiert werden. Anderseits orte ich sehr viel Potenzial für Kostensenkungen. Es gibt heute keinen Grund, Kernbankenlösungen technisch und organisatorisch unterschiedlich einzusetzen und zu betreiben. Eine Erklärung dafür ist, dass die Strukturen historisch gewachsen sind, der Leidensdruck zu klein ist, um Standards zu etablieren und viele potentielle Skaleneffekte zu realisieren.

Was zeichnet eine digitale Bank aus?
Es ist die Offenheit, etwas Neues auszuprobieren; Investitionen ohne sicheren Business Case zu wagen; Kooperationen und Allianzen einzugehen; die Kunden ins Zentrum von Kunden-, nicht von Bankprozessen zu stellen. Banken sind noch zu oft auf die Kanäle fixiert. Ob Schalter, mobile- oder E-Banking: Der Kunde wird jene Kanäle wählen, die seine Bedürfnisse optimal abdecken und so Nutzen generieren.

Ist die Digitalisierung das Allheilmittel zur Effizienzsteigerung?
Nein. Die Digitalisierung macht das Geschäft komplexer und am Anfang teurer. Aber die Banken haben keine Wahl, denn die Digitalisierung wird eine immer wichtigere Rolle spielen. Es geht auch nicht darum, zu digitalisieren, was digitalisiert werden kann. Zudem: Prozesse end-to-end zu digitalisieren ist nicht effizient, wenn Entscheidungsstrukturen und Kontrollmechanismen komplex bleiben – die Prozesse müssen ebenfalls optimiert werden. Die Tugend der Stunde besteht darin, zu fokussieren und die vorhandenen Mittel gezielt einzusetzen. Es geht darum, den Weg zu seiner Digitalisierung geschickt zu gestalten – das ist eine zentrale strategische Aufgabe.

*(Dieses Interview ist Bestandteil unseres Finstar Space Magazins).

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