Banking as a Service: «Sich mit dem eigenen Geschäftsmodell auseinandersetzen»

Magazin
25.03.2022


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Banking as a Service bringe den Vorteil, dass Banken Software wie Plug-and-Play-Module nutzen könnten, sagt Hochschuldozent Urs Blattmann im Interview. Die nötigen Weichenstellungen würden aber nur zögerlich umgesetzt.


«Die Schwierigkeit, Banking as a Service exakt zu fassen, ergibt sich daraus, dass sich die Angebote an verschiedene Zielgruppen richten»

Frage: Herr Blattmann, was verstehen Sie unter Banking as a Service?

Urs Blattmann: Wikipedia bezeichnet Banking as a Service als digitalen End-to-End-Prozess zur Abwicklung von Finanzdienstleistungen über das Internet. Ich denke, das ist eine zweckmässige Umschreibung. Die Schwierigkeit, Banking as a Service exakt zu fassen, ergibt sich daraus, dass sich die Angebote an verschiedene Zielgruppen richten. Da sind zum einen die Finanzinstitute mit einer Banklizenz, zweitens die Finanzdienstleister und Fintechs. Diese unterscheiden sich wiederum in Organisationen mit Banklizenz, mit Banklizenz «light» und ohne Banklizenz. Last but not least gibt es die Nichtbanken, etwa Detailhändler. Für diese Gruppe werden so genannte «embedded finance services» angeboten, was für Verwirrung sorgt. Ein Beispiel sind Bankleistungen im Zusammenhang mit dem Zahlungsverkehr.

Frage: Wo orten Sie den Unterschied zwischen Open Banking und Banking as a Service?

Urs Blattmann: Open Banking ist ein Konzept, das den einfachen Austausch von Finanzinformationen ermöglichen soll. In der EU ist dies insbesondere mit PSDII ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Banken werden damit verpflichtet, Daten einem vom Kunden autorisierten Dritten zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung dazu sind standardisierte Schnittstellen. Mit diesen wird auch die Basis für eine in Zukunft grössere Verbreitung von BaaS geschaffen.


«Im Grunde geht es bei BaaS um eine weitere Aufspaltung der Wertschöpfungskette»

Frage: Handelt es sich bei Banking as a Service (BaaS) um ein neues Konzept?

Urs Blattmann: Im Grunde geht es bei BaaS um eine weitere Aufspaltung der Wertschöpfungskette. Insofern kann nicht von einem neuen Konzept gesprochen werden. Der Gedanke jedoch, dass ich in Zukunft ein spezifisches Software-Modul für Finanzdienstleistungen im Sinne von plug-and-play nutzen oder auch wieder ersetzen kann, ist durchaus neu.

Frage: Warum wird das Konzept der hohen Fertigungstiefe von den Banken gerade – oder: erst – jetzt aufgegeben?

Urs Blattmann: Das klassische Denken, dass ein Prozess End-to-End im eigenen Haus abgewickelt werden muss, ist bei Banken stark verankert. Die hohen Margen haben bisher verhindert, dass sich die Führungskräfte um effizientere Produktionsprozesse kümmern mussten. Es ist aber nicht so, dass erst jetzt Produktionsteile ausgelagert werden. Im Zahlungsverkehr und bei der Wertschriftenadministration hat der Prozess bereits in den 90er Jahren eingesetzt und sich dann kontinuierlich entwickelt. Mit der Digitalisierung ist jetzt zusätzlich Bewegung in den Markt gekommen.

Frage: Ist Banking as a Service gekommen, um zu bleiben?

Urs Blattmann: Stellt man einen Vergleich mit der Automobilindustrie an, so wird offensichtlich, dass das Aufbrechen der Wertschöpfungskette zu einer bleibenden Veränderung geführt hat. Insofern dürfte auch der modulare Einsatz von Software für Finanzdienstleistungen kaum wieder verschwinden. Sicher wird es im Markt Verschiebungen und Veränderungen geben, aber auf Dauer werden sich die effizientesten Lösungen durchsetzen.


«Ein Wandel wird erst eintreten, wenn es für Finanzinstitute finanziell enger wird und effizientere Produktionsprozesse unumgänglich werden»

Frage: Welche Chancen ergeben sich für Banken dank Banking as a Service?

Urs Blattmann: Ich bin der Auffassung, dass die grösste Chance darin besteht, sich in grundlegender Weise mit dem eigenen Geschäftsmodell auseinanderzusetzen. Die Frage, was ein Institut wirklich besser kann als alle anderen und die Ausrichtung auf diese Stärken wird die erfolgreichen Institute der Zukunft auszeichnen. Dinge, die andere besser können, sollte man hingegen an entsprechende Partner auslagern.

Frage: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft der Banken, Geschäfte und damit Kompetenzen auszulagern?

Urs Blattmann: Wie wir in der IFZ Sourcing Studie 2021 aufgezeigt haben, erkennen die Banken zwar die Tatsache an, dass ihre Kernkompetenzen in Zukunft im Frontbereich liegen. Dennoch wird die Auslagerung von IT- und Verarbeitungsfunktionen nur zögerlich umgesetzt. Ein Wandel wird erst eintreten, wenn es für Finanzinstitute finanziell enger wird und effizientere Produktionsprozesse unumgänglich werden.

Frage: Haben die klassischen Alleskönner-Monolithen ausgedient?

Urs Blattmann: Es ist davon auszugehen, dass modulare Konzepte sich längerfristig als flexibler und effizienter erweisen und sich deshalb durchsetzen. Kurz- und mittelfristig ist aber davon auszugehen, dass verschiedene IT-Lösungen parallel betrieben werden müssen. Dies vor allem deshalb, weil im Markt noch kein Modul ‚Finanzbuchhaltung‘ verfügbar ist, das etwa mit einem Modul ‚Hypothekarprozess-Abwicklung‘ kompatibel und ohne grossen Aufwand einsetzbar ist.

* Dr. Urs Blattmann ist Dozent und Projektleiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ sowie Geschäftsführer von Blattmann & Partner. Er ist Mitautor der IFZ Sourcing Studien, der Studie Beraterarbeitsplatz sowie der am 12. Mai 2022 erscheinenden IFZ Open Banking Studie.

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