Schritt für Schritt

Magazin
15.06.2021


Interview Bekb

Wenn es um die Digitalisierung im Allgemeinen und um Digital Assets im Speziellen geht, ortet Urs Grunder im Wertschriftengeschäft einen grossen Aufholbedarf. Der Leiter Handel/Financial Institutions der BEKB schliesst epochale Veränderungen nicht aus – der Weg von den ersten Gehversuchen bis zum Ziel ist allerdings noch lang.

Herr Grunder, wie lautet die Vision der BEKB in Bezug auf Digital Assets?

Eine unserer strategischen Stossrichtungen lautet ‚Innovationskraft fördern’. Mit der neuen Distributed-Ledger-Technologie (DLT) respektive Blockchain will die BEKB im Rahmen eines konkreten Projekts erste Erfahrungen sammeln und den Weg für künftige Ideen ebnen, die auf dieser Technologie basieren. Der Sekundärhandelsplatz für Digital Assets drängt sich auf, weil wir hier auf die langjährige Erfahrung im Betreiben der OTC-X, unserer vollelektronischen Handelsplattform für nichtkotierte Aktien von Schweizer Unternehmen, zurückgreifen können.

Wurden die Ziele hinsichtlich Digital Assets quantifiziert?

Nein, wir haben keine Mengenziele definiert. Die Technologie muss zunächst die ersten Gehversuche erfolgreich absolvieren. Es ist uns allen klar, dass nicht alle sofort auf den Digital-Assets-Zug aufspringen.

Möglicherweise epochal

Wo erkennen Sie die Rolle und das Potenzial dieser neuen Anlageklassen?

Dank der neuen Technologie wird es möglich sein, so genannte ‚unbankable’ Assets, wie Kunstwerke ,bankable’ zu machen. Diese Vermögenswerte können ein sinnvolles Element zur Diversifikation eines Portfolios sein. Diese Anwendung ist aber nicht Teil unseres Vorhabens.

Wenn nicht die überall zitierten Kunst-, und Autosammlungen. Was dann?

Wir erkennen die Opportunitäten bei den ‚Existing Assets’, in der Nutzung von Effizienzpotenzial auf der ganzen Wertschriften-Prozesskette. Wenn wir das mit anderen Geschäftsfeldern vergleichen, liegt unseres Erachtens im Wertschriftengeschäft ein grosser Aufholbedarf. DLT respektive Blockchain liefern nun die Voraussetzungen, um auch in diesem Bereich substanzielle Fortschritte zu realisieren.

Das tönt nach grossen Erwartungen…

Bezüglich Aktivierung dieses ‚Effizienzpotenzials’ stehen wir möglicherweise vor einer epochalen Veränderung – ähnlich wie Anfang der achtziger Jahre beim Wechsel vom physischen Wertpapier zum Buchwert. Dieser Schritt hat damals sehr vieles im Wertschriftengeschäft revolutioniert. Im aktuellen Kontext nicht zu vernachlässigen ist das Potenzial einer heranwachsenden Generation von Unternehmern und Investoren, die besonders empfänglich sind für neue Technologien in all ihren Facetten.

Was tokenisiert die BEKB in einem ersten Schritt?

Zentral an dieser Frage ist das Wort ‚Schritt’. Wir wollen in dieser neuen technologischen Welt Schritt für Schritt vor- und vorangehen. Unser Fokus gilt der Unterstützung von Firmen, die Eigenkapital tokenisieren wollen. Parallel dazu wollen wir nicht kotierten Schweizer Unternehmen mit Hilfe einer Handelsplattform die Möglichkeit eröffnen, ihren Eignern einen Sekundärmarkt für ihre digitalen Wertrechte zu bieten. So, wie wir das mit unserer vollelektronischen Plattform für nichtkotierte traditionelle Aktien seit vielen Jahren erfolgreich tun – die Ausdehnung auf diesen neuen Segmenten ist nur eine logische Folge in der Weiterentwicklung unserer Handelsplattform.

DLT wird sich durchsetzen

An welche Kundensegmente richtet sich die BEKB mit diesem Angebot?

Im Zentrum stehen digitalaffine Kunden. Wir sprechen von Firmen, besonders junge Wachstumsunternehmen, Anleger und Investoren. Dabei handelt es sich vereinzelt um bereits bestehende Kunden. Vor allem aber um eine heranwachsende Generation von Kunden, die nicht nur keine Berührungsängste vor neuen Technologien hat, sondern diese fordert. Ich denke da in erster Linie an die Generationen Y und Z mit den Jahrgängen 1980 bis 2012.

Gehören Digital Assets künftig in jedes diversifiziertes Portfolio?

Irgendwann in der Zukunft wird man kaum mehr um Digital Assets herumkommen, weil viele Anlageinstrumente entsprechend konzipiert sein werden. In den nächsten zwei bis vier Jahre erwarten wir von der BEKB allerdings noch keine hohen Umsätze. Wie mit allem Neuen, braucht es am Anfang Zeit und damit sind wir wieder bei dem Thema Schritt für Schritt. Wenn ich jedoch die verschiedenen Offensiven beobachte, die gerade in der Schweiz im Gang sind – ich denke da etwa an die Anstrengungen der Schweizer Börse mit SDX – werden Digital Assets weiter an Bedeutung gewinnen.

Wird das Potenzial der digital Assets nicht überschätzt?

Hier ist es wie meistens mit neu aufkommenden Technologien respektive deren Einsatz: Kurzfristig betrachtet werden sie oft überschätzt, ihr langfristiges Potenzial unterschätzt. Blicken wir auf die Neunzigerjahre mit dem Aufkommen des Internets respektive auf den Jahrtausendwechsel mit Social Media. Damals war die Skepsis gross. Oder wer hätte vor zwanzig Jahren geglaubt, dass das Handy in unserem Alltag eine derart dominante Stellung einnimmt? Und das über alle Generationen hinweg? Niemand hat das vorausgesehen. DLT wird sich durchsetzen – aber auch hier braucht es etwas Zeit.

Wir glauben an die Technologien

Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen der BEKB und der Hypothekarbank Lenzburg?

Das ist nicht erst seit gestern gewachsen. Ich verfolge die Aktivitäten der Hypi Lenzburg schon seit mehreren Jahren sehr interessiert und stand mit ihr auch in einem losen Gedankenaustausch. Dabei konnte ich schnell feststellen, dass die Hypi hinsichtlich Nutzung neuer Technologie ebenso innovativ wie zielstrebig unterwegs ist.

Hier die grosse BEKB, dort die kleinere Hypothekarbank Lenzburg. Wie erleben Sie die Partnerschaft?

Im Zusammenhang mit Innovationen spielt die Grösse eine völlig untergeordnete Rolle. Es geht vielmehr um die Kompetenzen oder in Neudeutsch: Skills. Im Vorfeld unseres Vorhabens gingen wir mögliche Partner an, die mit ihrem Wissen einen massgeblichen Beitrag zu leisten imstande sind. Als zweiter Punkt war es für uns stets zentral, dass unsere Partner gleiche oder ähnliche Werte vertreten.

Diese Ähnlichkeit betrifft offenbar auch das Interesse an neuen Technologien.

Was neue Technologien betrifft, verfolgt die Hypi seit vielen Jahren einen beeindruckenden, konsequenten Weg. Die BEKB ihrerseits ist offen für neue Technologien und bereit, die Möglichkeiten im Rahmen konkreter Projekte auszuloten. So wollen wir die erfolgreiche Geschichte unserer Handelsplattform OTC-X weiterschreiben, indem wir den Sekundärhandel für digitale Wertrechte für das gleiche Emittenten-Segment anbieten. Die BEKB und die Hypi Lenzburg glauben an das Potenzial der digital Assets und an die dahinter steckenden Technologien.

Sind neben der Hypi und der BEKB weitere Partner in das Projekt involviert?

Finstar ist der Entwickler der Gesamtbankenplattform, die daura AG verantwortet die Tokenisierung der Assets. DXC Technology fungiert als Infrastruktur-, die MACD als Handelsplattformpartner und die Innofactory AG ist für die Projektleitung verantwortlich – die Hypi und die BEKB greifen also auf ein umfassendes Ökosystem zurück, um die Entwicklung voranzutreiben.

Andere Länder schauen genau hin

Technische Fragen sind das eine. Ist dieser neue Markt auch regulatorisch vorbereitet?

Ja, das ist der Fall. Der Regulator hat hier in einem beeindruckenden Tempo eine hervorragende Arbeit geleistet. Dabei schaue ich besonders auf das vergangene Jahr, in dem National- und Ständerat das DLT-Mantelgesetz in rekordverdächtiger Zeit verabschiedet haben. Und das auch noch einstimmig.

Aber wird der Regulator gegenüber der Innovationskraft des Marktes nicht immer im Hintertreffen sein?

Das mag der vorherrschende Eindruck sein. Bezüglich Digital Assets und elektronischer Register trifft das jedoch nicht zu, hier agiert der Bund sogar wegweisend. Die anderen Länder schauen ganz genau hin, was die Schweiz unternimmt.

Die Digitalisierung sprengt Grenzen. Macht da eine nationale Gesetzgebung überhaupt Sinn?

Das ist in der Tat eine berechtigte und gute Frage. Auch hier gilt das Prinzip ‚Schritt für Schritt’: Heute macht eine nationale Gesetzgebung durchaus Sinn. Denn es gibt sie noch, die nationalen Gegebenheiten, auf die Rücksicht genommen werden muss und soll. Das kann sich im Verlauf der Zeit ändern, supranationale Regelungen dürften später bis zu einem bestimmten Grad Sinn machen.

 

Effizienz und Komfort

Sind Digital Assets anfälliger auf Betrugsversuche als klassische Anlagen?

Ich denke nicht. Dennoch muss ein spezielles Augenmerk auf diesen Aspekt gelegt werden. Mit dem Aufkommen neuer Technologien steigt der Druck bezüglich Effizienz und Komfort. Diese Tendenz wird nicht abnehmen. Aber wir werden Wege finden, um die entsprechenden Fragen rasch und effektiv zu beantworten.

Gefährden die Betrugsversuche den Erfolg der Digital Assets?

Im Zusammenhang mit dem online Handel oder Kreditkarten können wir täglich von kriminellen Machenschaften hören und lesen. Dennoch boomt der E-Commerce und die Kreditkarte wird mittlerweile für fast alles eingesetzt. Wie das bei neuen Technologien stets der Fall ist, wird gegenüber Digital Assets zu Beginn eine gewisse Skepsis bestehen.

Es braucht also noch etwas Überzeugungsarbeit?

Wer an das Potenzial der Blockchain glaubt, muss den Kundensegmenten jetzt beweisen, dass die Effizienz und der Komfort, der Nutzen und die Sicherheit grösser sind als alle Bedenken. So wird diese innovative Technologie den Durchbruch schaffen.

Sie haben die Sicherheit erwähnt: Was unternimmt die BEKB, um die Sicherheit dieser neuen Anlageklasse zu gewährleisten?

Gerade in diesem Projekt ist das Thema Sicherheit zentral, hier arbeiten wir auch mit der Finma zusammen. Aus verständlichen Gründen möchte ich an dieser Stelle nicht ins Detail gehen.

Klassisches Banking bleibt zentral

Was bedeuten Digital Assets für die Reputation der BEKB?

Unsere Aktivitäten im Bereich Digital Assets unterstützen unsere erwähnte strategische Stossrichtung hinsichtlich Innovation. Andererseits bedeutet Innovation immer auch, dass Rückschläge vorkommen können. Dazu müssen wir bis zu einem gewissen Grad bereit sein, sonst schliessen wir Neuerungen und Fortschritt ja zum Vorneherein aus. Mit unserer Handelsplattform verfügen wir über einen konkreten Anwendungsfall, mit dem wir Erfahrungen sammeln können.

Wo stehen Sie mit dieser Plattform für die Verwahrung und den Handel mit Digital Assets heute?

Wir sind auf Kurs, obwohl uns das Vorantreiben unseres Vorhabens unter Pandemie konformen Bedingungen nach wie vor zusätzlich fordert.

Sind klassische Bank und klassisches Banking in Zukunft eine Randerscheinung?

Trotz neuer Technologien wird das klassische Banking noch lange eine zentrale Bedeutung einnehmen. Denn Banking bleibt für sehr viele Leute sensibel. Es ist in Teilbereichen ein ausgesprochenes ‚People Business’, in dem Werte wie Privatsphäre und Diskretion nichts von ihrer Bedeutung verlieren werden.

Wo steht die BEKB punkto Digital Assets in fünf Jahren?

Ich denke, dass in fünf Jahren die Dienstleistungspalette der BEKB ein punktuell ergänztes Basisangebot Digital Assets aufweisen wird.

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